Dürfen Schüler Referate mit im Internet gefundenen Fotos auf der Schulhomepage hochladen? Bislang drohte dafür eine Abmahnung. Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs möchte das jedoch unter bestimmten Bedingungen in Zukunft erlauben.
In Österreich ist Córdoba spätestens seit 1978 ein Begriff mit popkultureller Bedeutung, urheberrechtsverletzende Remixkreativität inklusive. Wenn es nach dem Schlussantrag (PDF) von EuGH-Generalanwalt Campos Sánchez-Bordona geht, könnte Córdoba aber bald europaweit von urheberrechtlicher Relevanz sein. Eine Schülerin der Gesamtschule Waltrop in Nordrhein-Westphalen hatte eine Fotographie der spanischen Stadt Córdoba im Internet gefunden und sie für ein Referat verwendet. Das fertige Referat samt Foto stellte sie auf der Internetseite der Schule ein, was den professionellen Fotografen Dirk Renckhoff zur Klage gegen die Stadt Waltrop und das Land NRW veranlasste.
https://www.youtube.com/watch?v=XnjdvCNJy-s
Der deutsche Bundesgerichtshof möchte nun vor seiner Entscheidung vom EuGH wissen, ob
die Einfügung eines auf einer fremden Internetseite mit Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers für alle Internetnutzer frei zugänglichen Werkes in eine eigene öffentlich zugängliche Internetseite ein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der [EU-Urheberrechtsr]ichtlinie 2001/29 dar[stellt], wenn das Werk zunächst auf einen Server kopiert und von dort auf die eigene Internetseite hochgeladen wird?
Denn wie der EuGH in seiner Entscheidung zum Einbetten – „Framing“ – festgehalten hatte, ist mit der Einbindung fremder aber frei im Internet zugänglicher Inhalte nicht immer eine neue öffentliche Zugänglichmachung im rechtlichen Sinne verbunden. Bislang galt das aber nur bei Verlinkungen, nicht beim Kopieren und eigenständigen Hochladen von anderswo im Netz verfügbaren Inhalten.
Ohne Hinweise zum Urheber keine Abmahnung mehr?
Besonders interessant an diesem Fall sind zwei Umstände. Erstens hatte die Schülerin die Abbildung mit einem Link auf die Fundstelle – die Webseite eines Online-Reisemagazins – versehen. Zweitens waren dort jedoch keinerlei Informationen zum Urheber der Fotografie angeführt. Nach bislang geltender Rechtsprechung ist es für die Durchsetzbarkeit urheberrechtlicher Ansprüche aber auch nicht erforderlich, Hinweise zum urheberrechtlichen Schutz eines Werks anzubringen – wiewohl Urheber sehr wohl ein Recht darauf haben, als solche genannt zu werden.
Generalanwalt Sánchez-Bordona kommt jedoch in seiner Empfehlung dennoch zum Ergebnis, dass in diesem Fall keine Verletzung von Urheberrechten durch öffentliche Wiedergabe eines Werkes vorliegt:
Das Einstellen einer Schularbeit, die eine allen Internetnutzern frei und kostenlos zugängliche Fotografie enthält, ohne Gewinnerzielungsabsicht und unter Angabe der Quelle auf der Internetseite einer Schule stellt kein öffentliches Zugänglichmachen […] dar, wenn dieses Bild bereits ohne Hinweis auf Nutzungsbeschränkungen auf dem Internetportal eines Reisemagazins veröffentlicht war.
Als Begründung dafür wird unter anderem auf das „sorgfältige“ Handeln der Schülerin und ihrem Lehrer verwiesen:
Die Schülerin und der Lehrer handelten sorgfältig, und es kann ihnen nicht zum Vorwurf gemacht werden, den Namen des Fotografen, der nicht am Fuß des Bildes angegeben war, nicht genannt zu haben.
Umgekehrt wird in einer Fußnote festgehalten, dass „vom Rechtsinhaber daher eine gewisse Sorgfalt bei seinem Schutz verlangt werden [kann]“, um „verstärkte Konflikte mit den Nutzern“ zu vermeiden.
Andere Maßstäbe für nicht-kommerzielle Nutzungen
Weitere Gründe für die Empfehlung des Generalanwalts sind der bloß „akzessorische Charakter“, also die untergeordnete Bedeutung der Nutzung für das Gesamtwerk sowie der Umstand, dass die Schülerin und das Lehrpersonal ohne Gewinnerzielungsabsicht gehandelt hatten. Hier setzt sich also der Trend der EuGH-Rechtsprechung fort, unterschiedliche Maßstäbe an gewerbliche und nicht-kommerzielle Nutzungspraktiken anzulegen.
Auch wenn die Empfehlung des Generalanwalts demnach keineswegs einen kompletten Freibrief für die Nutzung von online zugänglichen Inhalten darstellt, würde eine entsprechende Entscheidung des EuGH eine dringend notwendige Stärkung der Position nicht-kommerzieller Nutzer bedeuten. Zumindest im Bildungsbereich könnte weniger Angst vor digitalem Lernen und dem Teilen von Lernunterlagen die Folge sein. Damit würde sich das Urheberrecht ein wenig der digitalen Alltagspraxis annähern.
Es bleibt aber natürlich abzuwarten, ob die EuGH-Entscheidung zum Foto vom spanischen Córdoba dem Schlussantrag folgt und ob damit nachhaltige Konsequenzen für die europäische Urheberrechtspraxis verbunden sein werden. Das Ergebnis des Spiels Österreich gegen Deutschland im argentinischen Córdoba 1978 war jedenfalls für den Sieger folgenlos: Österreich hatte bereits vor dem Spiel keine Chance mehr auf die nächste Runde, konnte nur noch Deutschland am Weiterkommen hindern.
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